Unconditionally

In dieser kleinen Bonus-Geschichte erhältst du einen kleinen Einblick darin, welche Wirkung Xanders Racheaktion auf den armen Ben hatte:

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Unconditionally

Ben lag auf die Seite gerollt in Xanders Bett, nackt, erschöpft, und ein wohliges Gefühl breitete sich in seinem ganzen Körper aus. Er lächelte so breit, dass seine Wangen wehtaten.

Wenn er nicht zu sehr darüber nachdachte, war dieser Moment perfekt. So lange wie möglich würde er die bösen Gedanken zurückdrängen.

Es hielt dreizehn Herzschläge an, bis der Moment zerbrach.

Mit einem aufgesetzten, gehässigen Lachen, dessen Kanten genauso tief in Xanders Mundwinkel schnitten wie in Bens Herz.

Er setzte sich auf, sah Xander an.

Der hielt sein Handy in der Hand. »Josh und du, ich glaube, ihr seid Geschichte.« 

Eine eisig prickelnde Kälte überrollte seinen Körper. »Wie meinst du das?«

»Dieses Wunderwerk der Technik hat eine Kamera und ich bin sicher, er erkennt deinen hübschen Rücken.« Das Handy vibrierte, Xander zog seine Stirn in Falten und tippte darauf. »Sag bloß nicht, er hatte dich bisher gar nicht.«

»Er ist nicht mein Freund. Wie oft muss ich dir das sagen?«, blaffte Ben und war überrascht, wie gefasst er noch klang. Vielleicht hatte sein Gehirn gerade auch in den Notfallmodus geschaltet. Wenn Xander Josh Fotos geschickt hatte … »Verdammt, Charlie!« Er sprang aus dem Bett, stürzte sich auf seinen Rucksack und kramte sein Handy heraus. Seine Finger zitterten, mühsam entsperrte er es und suchte nach Charlies Handynummer im Adressbuch, tippte auf den Eintrag.

»Oh Gott, bitte sieh dir die Bilder nicht an«, schrie er, bevor Charlie sich überhaupt gemeldet hatte.

»Welche Bil– Sag mir, dass das nicht du in diesem Video bist.«

»VIDEO? Hat Josh sich das angesehen, oh mein Gott. Es tut mir so leid, so leid, ich …«

»Er hat behauptet, er wäre dein Freund«, hörte er da Xander brüllen, der sich sein Handy ans Ohr hielt.

»Habe ich nicht!«, schrie er Xander an. »Im Gegenteil. Du wolltest mir nur nicht glauben, weil du dachtest, ich würde dich damit nur aufziehen.«

Xander fauchte ihn an und schleuderte sein Handy in eine Ecke des Zimmers, wo es krachend eine Vase vom Tisch fegte. Seine Augen blitzten, die Nasenflügel bebten und er hatte den Kiefer so fest angespannt, dass die Adern an seinem Hals hervortraten.

»Josh hier«, schallte es plötzlich aus Bens Handy.

Ben wandte den Blick von Xander ab und schloss die Augen. »Oh Gott, ich habe wirklich nie behauptet, wir wären ein Paar, ehrlich. Ich hab nur irgendwann aufgehört, es ihm auszureden.«

Josh seufzte. »Ich werde diese Bilder nie wieder aus meinem Gedächtnis löschen können. Selbst wenn ich mir Bleiche in die Augen kippe. Aber zumindest von meinem Handy kann ich das Video löschen.«

Bens Schultern sackten herab und er setzte sich auf die Bettkante.

»Er wollte also tatsächlich meinen Freund verführen und mir ein Video davon schicken, um mir noch mehr weh zu tun.« Joshs Stimme klang scharf und schneidend, setzte dort an, wo Xanders Lachen bereits Wunden geschlagen hatte. Xander hatte ihn benutzt, ja, aber Ben hatte sich benutzen lassen. Er hätte es durchschauen müssen. Ein Teil von ihm hatte es auch die ganze Zeit gewusst, nach Ausflüchten gesuchte, trotzdem mitzuspielen.

Ben sah zu Xander auf, der wie ein Raubtier in einem Käfig vorm Bett auf und ab ging. »Er … Ich glaube, es hat ihm wirklich das Herz gebrochen. Und du hast doch gesagt, wenn er verletzt ist, spuckt er Gift und Galle.«

Xander hielt inne, sah ihn an. Etwas an seinem Blick änderte sich. Die Wut verrauchte. Stattdessen war es Schmerz, der die haselnussbraunen Augen verdunkelte.

»Ich hätte nicht mitspielen sollen.«

Xander lehnte sich ihm gegenüber an die Wand, sah ihn stumm an.

»Aber …«, fuhr Ben fort, kämpfte gegen das Zittern in seiner Stimme, das immer stärker wurde, »wir hatten uns schon länger geschrieben und ich wollte ihn wirklich … sehen.« Es war nicht das erste Mal, dass sie sich getroffen hatten, seit er in L. A. war. Aber das war einfacher auszusprechen, als einzugestehen, warum er mit wild klopfendem Herzen hierher gekommen war. 

»Und jetzt hast du dein eigenes Herz gebrochen?«

Es war erstaunlich, wie genau Josh den Nagel auf den Kopf traf. Es war ein Spiel mit dem Feuer gewesen, und er hatte sich verbrannt. »Ich glaube ja.«

»Hat es sich wenigstens gelohnt?«

Ben schloss die Augen, horchte in sich hinein, tastete nach dem wohlig warmen Gefühl. »Das hat es, ganz gleich, wie weh das Ganze noch tun wird.«

»Wir treffen uns morgen zum Mittagessen und dann reden wir in Ruhe darüber. Oder brauchst du Hilfe? Du bist bei ihm, oder? Soll ich dich abholen?«

»Nein, ist schon gut. Bis morgen Mittag.« Er legte auf, holte Atem und sah Xander an. Ein Kloß saß in seinem Hals, aber er presste die Worte hervor, solange, wie ihn der Mut noch nicht verließ. »Ich hätte es wissen müssen. Du hast mich Joshs Spielzeug genannt, einen Zeitvertreib, der ihn bald langweilen würde. Mehr hast du nie in mir gesehen. Nur ein Spielzeug, das du benutzen kannst. Ein Teil von mir wusste es die ganze Zeit, dass du nur an mir interessiert warst, um durch mich Josh zu schaden. Ich hätte nur nicht gedacht, dass du soweit gehen würdest.« Er schloss die Augen, Tränen liefen ihm die Wangen hinab. »Da war dieser kleine Teil von mir, der so naiv war zu denken, dass durch unsere langen Gespräche, durch die Zeit, die wir zusammen verbracht haben, sich irgendetwas verändert hätte. Dabei bin ich dir doch vollkommen egal. Du hattest wohl recht. Jemand wie mich kann man wohl einfach nicht lieben.«

»Das ist nicht wahr«, platzte Xander hervor.

Ben blinzelte, sah ihm in die Augen.

»In den letzten Wochen habe ich mehr und mehr Dinge an dir entdeckt, für die Josh dich lieben würde. Du bist süß, auf die eine Art unschuldig, auf die andere doch so reif und erwachsen. Man kann gut mit dir reden, mit dir lachen. Ich hab so viel in dir gesehen, was ich einmal hatte und was mir jetzt fehlt. So viele Dinge, die dafür sprechen, dass er dich liebt und nicht mich.« Er rieb sich mit dem Handrücken über die Augen. »Ich … ich weiß nicht, was ich für dich fühle. Aber ich habe mich die letzten Wochen nicht nur mit dir getroffen, um ihm wehzutun.«

»Aber heute …« Ben schluckte. »Heute ging es nur darum, oder? Du hast mich nur zu dir eingeladen, du hast mich nur geküsst, du hast mich nur verführt, um ihn zu verletzen, oder?«

Xander schlug die Hände vor das Gesicht und nickte knapp. »Es tut mir leid. Es tut mir so leid.« Die Muskeln in seinem Körper spannten sich an. »Du kannst das Bett haben, ich schlaf auf der Couch.«

Bevor Ben etwas erwidern konnte, war Xander aus dem Zimmer gestürmt und hatte die Tür hinter sich zugeschlagen.

Ben ließ sich zurück in das Bett fallen, schlang das Laken um sich und schloss die Augen. »Was mach ich hier nur?«

Er kannte das Gefühl nicht, das seine Klauen in seine Brust schlug und ihn von Innen aushöhlte. Fühlte sich so Verrat an? Und hatte sich das wirklich gelohnt?

Jeder Moment der letzten Wochen blitzte vor ihm auf. 

Die schnippische Antwort, die Xander ihm über Scruff geschickt hatte, nachdem Ben mittels penibelster Recherche sein Profil gefunden hatte. Wie aus seichtem Smalltalk langsam ernsthafte Gespräche wurden. Wie Ben merkte, dass er sich nicht nur entschuldigen wollte, für die blutige Nase, dass er sich nicht nur Sorgen machte, wegen der Dinge, die Josh ihm gesagt hatte. Auch wenn es genauso naiv war wie seine Schwärmerei für Josh. Schließlich war Xander unerreichbar an der anderen Seite des Kontinents.

Das erste Mal, dass sie telefoniert hatten – Ben saß in der Wohnung in L. A. im Schlafzimmer, hatte das Fenster geschlossen und bemühte sich, leise zu sprechen, ganz gleich wie unwahrscheinlich es war, dass Charlie und Josh eine Etage über ihm auch nur ein einziges Wort verstanden.

Das erste Mal, dass sie sich im Park trafen – natürlich nur, weil Xander keine Lust hatte, alleine mit den Hunden Gassi zu gehen, nicht etwa, weil er Ben genauso sehr sehen wollte wie Ben ihn.

Der Moment, als Ben ihn zum Abschied küsste, und Xanders Augen sich überrascht geweitet hatten. Wie er ihn dann zurückgeküsst und ihn lachend einen bösen Jungen genannt hatte. Augenzwinkernd hatte er ihm versprochen, Josh kein Wort zu verraten. An diesem Abend und so vielen weiteren.

Hatte er das heute damals schon geplant? Hatte er nur auf den richtigen Moment gewartet, seinen grausamen Plan in die Tat umzusetzen? Was in den letzten Wochen war echt gewesen? Was nur gespielt?

Ben setzte sich im Bett auf. Grübelnd fand er keine Antworten darauf.

Er stand auf, tapste barfuß durch den Flur in die Küche, füllte ein Glas mit Leitungswasser und trank es in einem Zug aus. Er blickte aus dem Fenster in die Nacht hinaus, die hier nie wirklich dunkel war.

Vielleicht hätte er doch Joshs Angebot annehmen sollen. Er wollte jetzt nicht alleine in Xanders Bett liegen. Schlafen würde er vermutlich ohnehin nicht.

Die Tür zum Wohnzimmer stand einen Spalt offen. Xander lag auf der Seite zusammengerollt auf der ausgezogenen Schlafcouch.

Nach Xanders Videobotschaft hätte Ben es eigentlich wissen müssen, dass das hier nur eine Falle sein konnte. Aber Xander hatte am Telefon so aufrichtig geklungen.

»Ich hab endlich begriffen, dass Josh und ich Geschichte sind.« Ein gezieltes, kleines Schluchzen. »Ich weiß, es ist egoistisch, dass zu sagen, dich vor eine Wahl zu stellen, aber ich brauche dich heute Nacht.«

Er hatte Ben gebraucht, um Josh weh zu tun.

»Wie oft muss ich dir noch sagen, dass ich vor keiner Wahl stehe.« Ein kurzes Aufflammen der Zweifel, die er im Keim erstickte. Weil er genau wie Xander nur das sah und hörte, was er glauben wollte. »Treffen wir uns wieder im Park?«

Vorsichtig drückte er die Tür noch ein Stück auf und schob sich durch den Spalt, schlich auf Zehenspitzen ans Bett.

Xander schlug träge die Augen auf, sah zu ihm auf. »Was willst du?«

»Ich weiß es nicht«, flüsterte Ben.

Schief lächelte Xander. »Dann sind wir schon zwei.«

»Ich kann nicht schlafen.«

»Soll ich dich nach Hause fahren?«

Ben schüttelte den Kopf, zeigte auf die Couch. »Darf ich …?«

Xander saugte die Lippen ein, blickte zur Seite und nickte.

Ben kroch unter die Decke neben ihm, weit genug weg, dass sie sich nicht berührten, nah genug, dass er seine Wärme spürte, sein Atmen hörte. Ben schloss die Augen. »Vielleicht wissen wir morgen mehr.«

* * *

Als Ben am nächsten Morgen aufwachte, hing der Geruch von Kaffee und Bacon in der Luft. Aus der Küche hörte er es brutzeln und spritzen. 

Er wusste immer noch nicht, wie es weitergehen sollte. Er setzte sich auf und die Couch unter ihm quietschte gequält.

Xander tauchte im Türrahmen auf. Über Boxershorts und einem verwaschenem T-Shirt trug er eine Schürze, seine Locken hatte er lässig zurückgebunden. Es zog schmerzhaft in Bens Brust. Xanders Blick huschte durch das Wohnzimmer, immer haarscharf an Ben vorbei. »Frühstück ist fertig.«

Das Frühstück bestand aus Rührei, Bacon und Kaffee. Sie aßen, ohne ein Wort zu wechseln. Ben sah Xander an, Xanders Blick klebte an seinem Teller. »Wie soll es weitergehen?«

Xander hielt inne, seine Wangen färbten sich fleckig-rot. Er hob die Schultern, erwiderte nichts und schob sich dann eine Gabel voll Rührei in den Mund.

Ben kaute auf der Unterlippe. Sie mussten darüber reden. Ben wollte nicht, dass es einfach so endete. Dass sie sich nach heute nie wiedersahen. Ganz gleich wie tief die Wunden waren, die die Krallen des Verrats in seiner Brust hinterlassen hatten.

Xander hätte nie mit ihm spielen können, hätte er das Spiel nicht begierig mitgespielt.

Er setzte an, etwas zu sagen, als sein Handy vibrierte. Eine SMS von Josh.

Ich habe bemerkt, dass du nicht nach Hause gekommen bist. Ich hoffe, es geht dir gut. Wenn ich dich abholen soll, sag einfach Bescheid. Wenn nicht: Ich habe uns fürs Mittagessen einen Tisch im Giuliano’s bestellt.

Darunter war die Karte zum Restaurant.

»Josh will …« Er zögerte einen Moment. »Er will uns zum Mittagessen treffen. Im Giuliano’s. Um in Ruhe über alles zu reden.«

Xander nickte und sah einen Fleck an der Wand an. »Da haben wir früher oft gegessen.« Er stand auf; sein Teller war noch halb voll. »Ich mach mich fertig. Du kannst danach ins Bad. Wenn du noch Hunger hast, der Kühlschrank ist voll.«

Ben stocherte im Rührei. Hoffentlich würden sie heute Mittag dann endlich reden.

* * *

Xander mit zu dem Mittagessen zu nehmen, war vielleicht doch keine so gute Idee gewesen. Alles, was Ben in den letzten Wochen getan hatte, war rückblickend keine gute Idee gewesen.

Andererseits … Ein hartnäckiger, naiver Teil von ihm wollte immer noch glauben, dass Xander und er eine gute Idee waren. Dass es den Verrat und den Schmerz wert war, wenn sie am Ende wirklich zusammenfanden.

Er kämpfte den Impuls nieder, nach Xanders Hand zu greifen, dessen Finger unentwegt auf seinen Knie trommelten und zuckten, als spielte er eine Symphonie im Schnelldurchlauf. Stattdessen ballte Ben die Hände zu Fäusten, legte sie sich auf die Oberschenkel.

Er war dankbar, dass die Kellnerin sie bis an den Tisch begleitet hatte und gleich ihre Bestellungen aufnahm – Xander bestellte den Fisch des Tages mit Fritten und einem Salat und da Ben keine Ahnung hatte, was es sonst gab, und nicht ewig die Speisekarte studieren wollte, nahm er einfach das gleiche.

Als die Kellnerin ihren Tisch wieder verließ, senkte sich eine erdrückende Stille über sie.

Charlie durchbrach sie mit einem Räuspern. Er lächelte aufgesetzt und es brodelte dahinter. »Ben, warum genau hast du Xander mitgebracht?«

Er spannte die Schultern an. »Weil ich dachte, wir sollten das wie reife Erwachsene in einem vernünftigen Gespräch klären.«

Charlie knirschte mit den Zähnen, schüttelte kaum merklich den Kopf.

»Ja, gut …« Josh atmete tief ein und aus. Ben konnte seine ruhige Miene nicht lesen. »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«

Ben räusperte sich. »Ich will nur noch einmal klarstellen, dass ich niemals behauptet habe, wir wären ein Paar.«

Josh seufzte. »Das glaube ich dir sogar. Xander kann halt sehr schwer von Begriff sein, wenn das, was er hört, nicht das ist, was er hören will.« Dieses Gefühl hatte Ben auch schon gehabt und die Art, wie Xanders Körper sich neben ihm anspannte, zeigte deutlich, dass Josh den Nagel auf den Kopf getroffen hat. »Aber vielleicht sollte ich eine Sache erstmal klären.« Er nahm Charlies Hand. »Xander, das hier ist mein Freund, Charlie. Bens Onkel. Ihr habt euch am Flughafen kurz gesehen.«

»Und im Hotel«, murmelte Charlie.

Xander hatte wieder diesen abschätzigen Gesichtsausdruck, von dem Ben in den letzten Wochen gelernt hatte, dass es die Maske war, die er als letzte Abwehr trug, wenn er kein anderes Schild mehr hatte. »Stimmt, jetzt wo du es sagst. Ich hab mir nicht wirklich gemerkt, wie er aussah.« Er hob die Schultern. »Ist ja nichts Bemerkenswertes dran.«

Charlies Wangen färbten sich rot. »Wie charmant.«

Xander öffnete den Mund, schob den Unterkiefer vor.

Josh hob die Hand. »Wir sind nicht hier, um zu streiten. Sondern um die Streitigkeiten aus dem Weg zu räumen. Vielleicht könnten wir dann auch wieder Freunde sein.«

Xander verdrehte die Augen. »So wie Logan und Will?«

»Nein. Logan hat Will ihre Trennung nicht wirklich verziehen, er will immer noch die Vergangenheit zurück. Er ist immer noch verletzt. Aber wenn wir beide die Vergangenheit hinter uns ließen, spräche ja nichts dagegen, Freunde zu bleiben. Was dabei auch eine Rolle spielt, ist, was mit euch beiden ist.« Josh zuckte mit den Achseln. »Wenn es sich einrichten ließe, dass wir uns wirklich nie wieder über den Weg laufen, könnte ich damit auch leben.«

Xanders Wangen färbten sich fleckig rot, und er warf Ben einen Seitenblick zu. Für einen winzigen Moment konnte Ben hinter seine Maske blicken, sah dort Angst und Zweifel und Hoffnung und Schuld. »Ich weiß nicht, was zwischen uns ist.«

Ben kämpfte sich zu einem Lächeln durch – er konnte Angst und Zweifel nicht aus der Welt schaffen, wusste noch nicht, was er mit der Schuld tun sollte, aber die Hoffnung wollte er nähren. »Wir haben das noch nicht wirklich besprochen, aber …« Er knetete die Hände, zupfte an einem Niednagel. »Ich fände es schön, wenn wir uns nach heute noch wiedersehen würden.«

Xander zuckte mit den Achseln, trug immer noch seine gleichgültige Maske, aber Ben entging das kleine Lächeln nicht, das sich für den Bruchteil einer Sekunde wenn schon nicht auf seinen Lippen, dann doch in seinen Augen zeigte. »Meinetwegen.«

»Na, dann Mazel tov!« Josh klatschte in die Hände. »Aber damit ist es nicht aus der Welt, was du gemacht hast, klar? Dass du eine Grenze überschritten hast.« Seine Stimme war scharf, schneidend und sie traf ihr Ziel. »Eigentlich kannst du froh sein, dass Ben dich nicht anzeigt.«

Xander faltete die Hände, wich Joshs Blick aus. Seine Maske bröckelte, Schuld und Angst strahlten durch die Ritzen. »Es war unüberlegt. Aber als ich das Interview gesehen habe, wollte ich es dir heimzahlen. Die letzten Wochen warst du wieder so nett zu mir.«

»Weil ich mir Sorgen um dich gemacht habe. Ich kenne dich schließlich nicht erst seit gestern.«

»Und ich dachte, dass ich dir noch etwas bedeute«, sprudelte es aus Xander hervor. »Dass wir vielleicht doch noch eine Chance haben. Weil ich dachte, dass du mir nur glaubst, wenn ich es vor der ganzen Welt eingestehe, was für einen Fehler ich begangen habe.« Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Ben sah das verräterische Glitzern von Tränen. »Aber stattdessen hast du all meine Hoffnungen zunichte gemacht. Sie rausgerupft, als wären sie nur Unkraut, das dir nichts wert ist.«

»Weil ich nicht länger wollte, dass du dir falsche Hoffnungen machst. Du sagst selbst, du willst nicht, dass wir wie Will und Logan sind. Dass du dich an etwas klammerst, etwas zurückhaben willst, was es nicht mehr gibt.«

Xander schloss die Augen. Mit einem Mal fielen die letzten Scherben der Maske zu Boden und dahinter war nur noch die Schuld und der Schmerz. »Ich mach so etwas nie wieder. Ich hab nicht darüber nachgedacht, was für Folgen es haben könnte.« Er schluckte. »Was ich Ben damit antue. Aber ich hab meine Lektion gelernt. Und nach dem, was ich getan habe, würde ich selbst ja nicht einmal mit mir zusammensein wollen.« Mit jedem Wort war seine Stimme brüchiger geworden. Er stand auf. »Ich geh jetzt besser.«

Bevor einer der anderen etwas sagen konnte, war er zwischen den Tischen hindurch geeilt und um die Ecke gebogen, die zum Ausgang führte.

Ben sah hilfesuchend zu Josh. »Willst du ihm nicht nachgehen?«

Sein Körper spannte sich an, als wollte er aufspringen, aber er schüttelte knapp den Kopf. »Das ist nicht mehr meine Aufgabe.«

Ben sog die Unterlippe ein, kaute darauf. »Ich werde nach ihm sehen«, sagte er schließlich und stand auf. »Ich meld mich dann wieder.«

Er eilte Richtung Ausgang, sah im letzten Moment, wie Xanders Lockenkopf die Treppe hinunter verschwand, die zu den Toiletten führte, und folgte ihm.

Die Tür war verschlossen, dahinter hörte er ersticktes Schluchzen. Er hob die Hand, klopfte zaghaft an. »Xander? Kann ich reinkommen?«

Ein Moment Stille, das Rauschen von Wasser, dann klickte das Schloss. Ben schob die Tür auf, schloss sie wieder hinter sich und verriegelte sie.

Xander stand vorgebeugt am Waschbecken. Im Spiegel konnte Ben sein Gesicht sehen. Xander hatte sich Wasser ins Gesicht geworfen, das an seiner Haut herab perlte, aber nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass er weinte. »Warum bist du hier? Warum willst du mich weiter sehen? Nach all dem, was ich dir angetan habe, warum?«

Ben schluckte. Vielleicht würde alles einfacher, wenn er es nur aussprach. Das, was er sich bisher nicht einmal getraut hatte, zu denken. »Weil ich mich in dich verliebt habe und das nicht so einfach abschalten kann.« Er kämpfte ein hoffnungsvolles Lächeln auf seine Lippen. »Du musst dich schon mehr anstrengen, um mich zu vergraulen.«

Ein Lächeln zupfte an Xanders Mundwinkeln. »Ich nehme dich beim Wort.«

»Außer, du willst mich nicht mehr sehen. Du willst, dass ich gehe.«

Xander hob den Kopf. Ihre Blicke trafen sich im Spiegeln. »Im Moment weiß ich sowenig darüber, was ich will. Aber ich weiß, was ich nicht will. Dass du gehst.«

»Dann bleibe ich.«

So lange, bis sie beide wussten, was sie wirklich wollten. Und vielleicht darüber hinaus.